Christopher SchindlerMit acht Jahren kam der gebürtige Münchner an die Grünwalder Straße. Das Eigengewächs durchlief von der U9 bis zur U23 alle Nachwuchsteams und hat in dieser Saison den Sprung zu den Profis geschafft. In der Sommervorbereitung und den Testspielen vor der Saison durfte der 20-Jährige erstmals Profiluft schnuppern. Cheftrainer Reiner Maurer hatte das Nach­wuchstalent der Löwen gemeinsam mit Moritz Leitner und Kevin Volland von der U23 „nach oben“ geholt.

Der Defensivallrounder, der sowohl in der Innenverteidigung als auch auf der Sechser-Position im Mittelfeld spielen kann, überzeugte und schaffte den Sprung in den erweiterten Profikader. Allerdings sollte es eine gewisse Zeit dauern, bis „Chris“, wie er auf dem Platz gerufen wird, zu seinem Debüt in der Zweiten Liga kam. Dies war schließlich am 3. Oktober 2010 der Fall, als er im Heimspiel gegen Union Berlin in der 80. Minute für Alexander Ignjovski eingewechselt wurde.

Zunächst bestritt er nämlich weiterhin die Pflichtspiele im Regionalliga-Team des TSV 1860, wo er in dieser Saison auf bislang zehn Einsätze kam. Für den U23-Trainer Klaus Koschlick gehört Christopher Schindler zu den Nachwuchsspielern, die ihren Weg im Profibereich gehen werden. Davon ist das Löwen-Urgestein, der schon seit 1997 im Trainerteam der Zweiten Mannschaft arbeitet, absolut überzeugt. „Er ist ein sehr intelligenter Spieler, kopfballstark, laufstark, extrem fleißig und vor allem auch charakterlich absolut topp“, lobt der erfahrene Fußballlehrer, „Chris ist ein richtig guter Junge“. Der Sprung zu den Profis ist für den 60-jährigen Koschlick insofern nur der logische Weg einer konstanten Entwicklung gewesen.

Begonnen hatte dieser Weg mit einem erfolgreichen Probetraining und der Aufnahme in die Löwen-U9 im Jahre 1999. Christopher war damals acht, als für ihn der erste große (Fußball)Traum in Erfüllung ging und er bei dem Verein spielen konnte, für den das Herz der Schindlers – allen voran das seines Vaters – schlug. „Mein Papa war 1860-Fan und deshalb habe ich auch immer die Löwen angeschaut“, erzählt er, „Bayern war bei uns überhaupt kein Thema.“ Genaue Erinnerungen daran, wie dieses „Vorspielen“ an der Grünwalder Straße damals abgelaufen ist, hat der Youngster übrigens nicht mehr. „Einer von vielen“ sei er gewesen, und „zum Schluss gab es ein Spiel und Elfmeterschießen“. Die Idee, sich bei den Sechzigern zu bewerben, hatte ein Bekannter der Familie, der sofort erkannt hatte, wie fußballverrückt der Junge war. „Ich habe schon auch andere Sportarten ausprobiert, aber Fußball war das, was ich am liebsten gemacht habe!“ Mit fünf Jahren begann er beim FC Perlach Fußball zu spielen, in dem Münchner Ortsteil, wo er wohnte, seine Freunde hatte und auch in die Grundschule ging. Bis dahin hatte er längst schon jede freie Minute auf dem Bolzplatz verbracht.

Christopher SchindlerMit dem Start in der Jugendabteilung eines Profiklubs wurde das Hobby schnell intensiver, leistungsorientierter. „Bei 1860 war natürlich alles besser organisiert. Wir haben öfter trainiert und es wurde viel mehr Wert auf Leistungsverbesserung gelegt.“ Nach der Grundschule entschied sich Christopher mit dem Wechsel auf das Theodolinden-Gymnasium für eine Schule, die als „Partnerschule des Sports“ Leistungssport mit der Schulausbildung verbindet und insofern Rücksicht genommen wird. Allerdings waren gerade die ersten Jahre richtig anstrengend. Zu dem intensiven Sportunterricht und dem Fuß­ballfördertraining in der Schule kamen am Abend noch die Trainingseinheiten bei den Löwen, erst danach blieb oft Zeit für Hausaufgaben und Lernen. Glücklicherweise fiel Christopher die Schule stets leicht, „ich hatte mich schnell daran gewöhnt“. Weder die Schule noch der Fußball kamen zu kurz oder mussten unter der Doppelbelastung leiden, im Gegenteil: Er schloss das Gymnasium nicht nur ohne Probleme, sondern mit der Note 1,9 sogar richtig hervorragend ab.

Im Anschluss daran wollte er eigentlich studieren und hatte sich auch für ein Jurastudium an der Ludwig-Maximilians-Universität eingeschrieben, doch der Zeitaufwand gerade für diesen Studiengang und insbesondere an der LMU stellte sich schnell als nicht vereinbar mit seinen Trainings- und Spielzeiten heraus. „Ich konzentriere mich jetzt erst einmal nur auf Fußball“, sagt er und ist absolut glücklich damit.

Denn letztendlich ging es in den vergangenen Wochen und Monaten, seitdem Reiner Maurer den 1,91 Meter großen Abwehrspieler bei den Profis integriert hat, ohnehin Schlag auf Schlag. Insgesamt acht Zweitliga-Einsätze sind es inzwischen bis zum Ende der Vorrunde geworden, eine Bilanz, mit der Christopher Schindler selbst recht zufrieden ist. „Ich finde es positiv, wie es für mich gelaufen ist. Erst war ich nur im Training dabei, dann im 18er Kader und schließlich habe ich meine Einsätze bekommen. Zweimal durfte ich sogar von Beginn an spielen.“ Dabei ist er selbstkritisch genug, seine Leistung richtig einzuschätzen. Gerade wenn es mal nicht so läuft, wie zuletzt im Heimspiel gegen den SC Paderborn. Während er im Vergleich zu seinem Zweitligadebüt, wo er „voll aufgeregt“ gewesen sei und „von außen überhaupt nichts mehr mitbekommen“ habe, zwischenzeitlich die nötige Ruhe für sein Spiel gefunden hatte, überwog im letzten Vorrundenspiel wieder die Nervosität. „Ich bin überhaupt nicht ins Spiel gekommen.“ Dass eben auch solche Erfahrungen und Negativerlebnisse zum Lernprozess gehören, weiß der Abiturient – und er kann damit umgehen.

Denn in seiner noch jungen Karriere gab es bereits die eine oder andere Phase, wo Durchhaltevermögen, Durch­setz­ungs­wille wichtig waren. „Chris hat es immer wieder geschafft, aus einer großen Ruhe heraus beständig seinen Weg zu gehen“, weiß Berthold Nickl, der seit zwei Jahren sein Berater ist, ihn aber aufgrund seiner früheren Tätigkeit als pädagogischer Leiter im Nachwuchs­leistungszentrum schon seit der D-Jugend kennt. Ähnlich sieht dies Klaus Koschlick, der gerade diese Fähigkeit, Geduld zu haben und lernfähig zu sein, an ihm schätzt: „Er beherzigt die Dinge, und versucht diese nicht zuletzt durch großen Fleiß im Training umzusetzen.“

Auch in der U23 musste sich Christopher Schindler eine gewisse Zeit hinten anstellen: In der Innenverteidigung, seiner eigentlichen und favorisierten Position, war das Duo Mathias Wittek und Julian Leist zunächst gesetzt. „Ich musste zum ersten Mal erfahren, wie es ist, wenn man nicht spielt.“ Diese Situation sei für ihn bis dato nie ein Thema gewesen, „dadurch habe ich gelernt, Geduld zu haben, den Kopf nicht zu verlieren, und dass man belohnt wird, wenn man weiterarbeitet“.

Und dann gab es da noch einen weiteren Knackpunkt, beim Übergang von der U15 zur U16. Damals habe er „richtig gezweifelt“, an seinem Potential, an seiner Zukunft bei den Löwen. Verletzungspech – ein Schlüsselbeinbruch brachte ihn außer Tritt – und ein Trainer, der alles andere als auf ihn baute. Doch in der U16 wurde dann Alexander Schmitt sein Trainer und brachte Christopher Schindler „richtig in die Spur“. „Er hat mit mir über die ganz einfachen Dinge gesprochen und hat mich wieder aufgebaut.“ In dieser Zeit habe er erst so richtig seine Persönlichkeit entwickelt. Und das Wichtigste: Er hat wieder an sich geglaubt, nicht zuletzt dank der Unterstützung durch den heutigen Co-Trainer der Profis.

Aufmerksam ist auch der Deutsche Fußball Bund inzwischen auf den vielseitigen Abwehrspieler geworden – und das erstmals in seiner gesam­ten Juniorenlaufbahn. Mitte November wurde die Nummer 26 der Löwen zu einem Sichtungslehrgang der deutschen U21 nach Duisburg eingeladen, am 17. November bestritt er beim Testspiel gegen die Zweite Mannschaft von Eintracht Frankfurt sein erstes Spiel im Dress des DFB. Ein weiteres Highlight inmitten der aufregenden vergangenen Monate. „Es ist schon Wahnsinn, wenn man dieses Trikot anhat. Hier dabei sein zu dürfen, jetzt wo es ernst wird, ist etwas ganz Besonderes“, beschreibt er seine Premieren-Gefühle. Obwohl er in den früheren Jahrgängen im Gegensatz zu vielen anderen Teamkollegen noch nicht berücksichtigt wurde, hat er sich deshalb nie verrückt gemacht: „Ich habe mich deswegen nicht unter Druck gesetzt. Natürlich ist es eine super Bühne, um sich zu präsentieren. Aber der Weg zum Profi führt nicht ausschließlich über die Nationalmannschaft.“ Stolz kann er gleichwohl sein, eben jetzt seinen ersten Schritt dorthin gemacht zu haben.

Der Weg zum Profi ist geebnet, die Tür dorthin hat er in der Vorrunde durch seine Leistungen ein viel versprechendes Stück aufgestoßen. Sein persönliches Ziel für die Rückrunde? „Ich hoffe, dass ich auch weiterhin regelmäßig meine Einsatzzeiten bekomme.“ Dass er inzwischen neben „seinen Vorbildern“ wie Benny Lauth oder Daniel Bierofka in der Kabine sitzt und gemeinsam auf dem Trainingsplatz steht, ist für den Münchner nach wie vor ein Traum. Zu gut kann er sich noch an die Zeiten erinnern, als er noch Balljunge im Olympiastadion war oder immer wieder einmal mit den Profis von damals an der Hand ins Stadion einlaufen durfte. Für Christopher Schindler sind die Löwen längst eine „echte Herzensangelegenheit“ geworden – oder wie er selbst es ausdrückt: „Ich bin jetzt die 13. Saison bei 1860, das ist einfach mein Verein!“

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